„Auf diesem Austausch hatte ich das erste Mal das Gefühl, dass ich als der Mensch akzeptiert werde, der ich bin!“

Quelle: Maurice Schallenberg

Ein Interview mit Maurice Schallenberg, dem diesjährigen Delegationsleiter des deutsch-japanischen Sportjugend-Simultanaustauschs

Am 25. Juli startet der diesjährige deutsch-japanischen Sportjugend Simultanaustausch, der in diesem Jahr sein 50-jähriges Jubiläum feiert. Die dsj hat vor Beginn des Austauschs mit Delegationsleiter Maurice Schallenberg gesprochen. 

Maurice, um dich erstmal besser kennenzulernen, wie ist dein Bezug zum Sport, zum organisierten Sport? 
Ich habe ganz früher mal Handball gespielt, das wurde mir dann aber ein bisschen zu hart mit dem Alter. Jetzt mache ich noch Triathlon. Aktuell olympische Distanz und sobald es die Zeit zulässt, möchte ich auch mal auf die größeren Distanzen wechseln. Zum organisierten Sport bin ich über meinen Vater gekommen. Ich bin in einer sogenannten „Vereinsmeierfamile“ groß geworden. Er war schon immer als Trainer sehr engagiert und ich wurde dann einfach in unserer Vereinsstruktur als kleines Kind schon mit eingebunden. Dort wurde immer schon viel Jugendarbeit betrieben in Form von Kinder- und Jugendfesten und später dann auch in Form von Bildungsmaßnahmen. So bin ich zunächst als Teilnehmer mit dem organisierten Sport in Kontakt gekommen und ich kann sagen, ich hatte eine schöne Jugend im Sport! Ich habe wirklich viel erlebt und einen starken Freundeskreis durch den Sport gewonnen. Ehrlich gesagt hat sich meine Beziehung zum organisierten Sport dann aber erst durch den Simultanaustausch entwickelt – und das ganz zufällig. Es hing einfach ein Aushang in unserer Halle und da hat unsere Cheftrainerin damals gesagt, da bewerben wir uns mal! 

Das heißt es gab keine Faszination für Japan und dann kam der Simultanaustausch, sondern dich hat tatsächlich der organisierte Sport zur Faszination für Japan gebracht? 
Ja, das kann man wirklich so sagen und ich würde wahrscheinlich nicht mal behaupten, dass ich die japanische Kultur liebe. Ich glaube, ich bin ihr einfach unglaublich dankbar. Unglaublich dankbar dafür, dass ich auf diesem Austausch das erste Mal das Gefühl hatte, dass ich als der Mensch akzeptiert werde, der ich bin. Dass ich mich nicht verstellen muss für eine Gesellschaft, dass die Leute mich so herzlich, so gastfreundlich aufgenommen haben, dass ich einfach die Punkte von mir zeigen konnte, die mich ausmachen.  

Kommen wir zur vielleicht schwierigsten Frage. Einfach erklärt, kurz und knapp: Was ist der deutsch-japanische Sportjugend-Simultanaustausch? 
Also der deutsch-japanische Sportjugend-Simultanaustauschaustausch wird von der dsj veranstaltet. Als Träger des Austauschs, können sich Landessportbünde oder auch Fachsportbünde bewerben. Bei diesen Trägern bewerben sich dann die Teilnehmer*innen des Austausches. Meistens fängt das im November an und muss bis Januar abgeschlossen sein, weil dann beginnt auch die Vorbereitung. Erst für die Gruppenleiter*innen und dann auch die regionalen Vorbereitungen für die Teilnehmer*innen bei ihren Trägern. Das gipfelt dann im zentralen Vorbereitungsseminar im Juli, wo alle  zusammenkommen. Und dann fährt man simultan, das bedeutet ja gegengleich, in das jeweilige Land. Wir fliegen nach Japan, während eine Delegation von Japaner*innen nach Deutschland kommt, und erlebt dort Sport, Kultur und Gesellschaft mit einem Bildungs- und Weiterentwicklungshintergrund. Man hat eine, ich glaube, atemberaubende Zeit, die einen fürs Leben prägt, sowohl die Japaner*innen hier in Deutschland als auch unsere Teilnehmer*innen, die nach Japan fahren.  

Kommen wir doch noch mal zu dir und deiner Rolle. Du bist dieses Jahr der Delegationsleiter. Was bedeutet das?  
Als Delegationsleiter hat man die Verantwortung, dass der Austausch in geregelten Bahnen verläuft. Das heißt, man hat verschiedene Aufgaben, die erstmal formeller Natur sind. Man kann zum Beispiel Freistellungen gewähren von verpflichtenden Treffen oder mitentscheiden, was die Auswahl der Teilnehmer*innen oder Gruppenleiter*innen angeht. Die Aufgabe ist also dafür zu sorgen, dass diese Reise für alle Beteiligten ein Erfolg wird. Sowohl auf der Seite der Empfänger*innen als auch auf unserer Seite für die Jugendlichen. Ein großer Punkt ist das Wohl der Jugendlichen, die mitfahren, im Sinne von Schutz vor Gewalt etc. Ich mache das aber natürlich nicht alleine, sondern ich habe ein Team, das mich dabei unterstützt. Und dann kommen noch repräsentativen Aufgaben dazu. Das bedeutet: An gewissen Stellen Reden halten und für Fotos zur Verfügung stehen, als eine Art Symbol des Austausches, auf das man sich verlassen kann.  

Große Aufgabe, große Verantwortung! Du machst das ehrenamtlich. Warum?  
Ich würde sagen, das hat zwei Gründe. Ich habe vorhin schon erzählt, ich hatte eine tolle Jugend im Sport. Vielleicht ist dazu zu erwähnen, dass ich aus einer einfachen, bürgerlichen Familie, aus einer Arbeiterfamilie, komme. Wir waren nicht arm, wir hatten aber auch nie viel Geld. Also sind wir, wenn es gut lief, einmal im Jahr in den Urlaub gefahren. Das heißt, sich Glück zu kaufen, war nicht so der Punkt und da hat der Sport einen riesigen Ausweg oder eine riesige Möglichkeit geboten. Und ich hatte immer das Gefühl, ich sollte was zurückgeben. Es waren dort so viele Menschen, die sich engagiert haben, auch in diesem Japanaustausch, der so viel mit mir gemacht hat, der mich so verändert hat. Und ehrlich gesagt wollte ich einfach, dass das in 15 Jahren, in 20 Jahren immer noch für Jugendliche möglich ist, dort mitzufahren. Deswegen stecke ich dort so viel Arbeit rein.  
Und der zweite große Punkt ist: Jeder Mensch möchte ein glückliches Leben führen. Für mich, und ich glaube auch für viele andere Menschen bedeutet das, selbstwirksam zu sein. Etwas tun, was einen Sinn hat und etwas bewirkt. So nah an Menschen zu arbeiten, mit jungen Menschen zu arbeiten, die in prägenden Phasen sind, die sich entwickeln, macht mir eine unglaubliche Freude. Es werden Grenzen überschritten und im guten Sinne Herausforderungen gemeistert. Diese Weiterentwicklung gibt mir eine unglaubliche Befriedigung, weil es sich für mich so anfühlt, als würde ich, im Kleinen, aber als würde ich wirklich was verändern können.  

Kommen wir nochmal zu den Herausforderungen. Was würdest du sagen, sind die größten Hürden des Austauschs? 
Ich glaube, es gibt allgemeine Hürden, und es gibt welche, die sind in der jetzigen Zeit aufgetreten. Wir kommen aus der Coronazeit. Wir merken, dass Geld eingespart wird. Wir haben mit Kürzungen zu kämpfen, wir merken das Ansteigen der Preise, der Flugpreise etc. Wir mussten viele Hebel in Bewegung setzen und wir können auch vieles nicht mehr so machen, wie wir es gewohnt sind. Ein Beispiel: Wir können nicht mehr die Delegationskleidung komplett zur Verfügung stellen, sondern müssen eben auch die Teilnehmer*innen bitten, eine bestimmte Art von Kleidung mitzunehmen, damit wir einheitlich ausschauen. Das ist sehr schade, weil es meiner Meinung nach nicht dem Stellenwert dieses Austausches entspricht.  

Würdest du dir da von irgendeiner Seite noch mehr Unterstützung wünschen? 
Ich bin der Meinung, dass da die Politik, also das Ministerium, wesentlich mehr tun muss. Ich glaube, der Stellenwert von Jugendlichen in unserer Gesellschaft wird falsch eingeschätzt, viel zu gering. Mit dem Austausch wurde durch viel ehrenamtliche Arbeit ein großes Projekt auf die Beine gestellt. Natürlich arbeiten auch viele Hauptamtliche hier über allen Maßen mit, aber es bedeutet, sehr viel persönlicher Einsatz. Ich für meinen Teil glaube nicht, dass das ausreichend unterstützt oder gewürdigt wird, und das bedeutet wirklich: Bitte erhöht die finanziellen Mittel! Es kann nicht sein, dass wir Kindern und Jugendlichen diese Chance nicht bieten. Dass wir nicht in sie investieren, nicht in junge Menschen investieren und ihnen ermöglichen, zu wachsen und wir einfach nichts für unsere Gesellschaft tun. 


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