Viele Ideen gegen Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit im Sport – aber wenig finanzielle Mittel

Quelle: dsj/PM Hoffmann

Kommentar von Elena Lamby, Ressortleiterin Gesellschaftspolitik in der dsj

„Rechtsextremismus ist die größte Bedrohung für unsere Demokratie“ - so sieht es nicht nur Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Auch die Deutsche Sportjugend (dsj) und der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) haben mit ihrer Positionierung zum Umgang mit antidemokratischen, rechtspopulistischen und rechtsextremen Parteien, Gruppierungen und Akteur*innen deutlich gemacht, dass sich der gemeinnützige, organisierte Sport in Deutschland mit einer klaren Haltung für eine offene, vielfältige und demokratische Gesellschaft einsetzt. Diese Haltung gilt es, auch im sportlichen Alltag mit Leben zu füllen und, wo immer sie in Gefahr geraten, für Demokratie, Kinder- und Menschenrechte einzustehen. Mit einem neuen Bundesprogramm für den Sport aus dem Bundesministerium für Inneres und Heimat (BMI), werden in diesem Jahr erstmals konkret Projekte für den Kampf gegen Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit im Sport gefördert.

Sexismus, Rassismus, Antisemitismus, queer-Feindlichkeit und weitere Formen der Diskriminierung sind ein großes Problem in unserer gesamten Gesellschaft, Gewalt gegen Geflüchtete und Menschen mit ausländischer Herkunftsgeschichte nehmen zu und eine rechtsextreme Partei liegt in Umfragen deutschlandweit bei über 20%. Der organisierte Sport mit seinen über 27 Mio. Mitgliedschaften bietet die Möglichkeit als größter zivilgesellschaftlicher Akteur Menschen in seinen Reihen und darüber hinaus zu erreichen. Aber die Tatsache, dass der organisierte Sport ein so wichtiger Teil der Gesellschaft ist, sorgt ebenso dafür, dass auch innerhalb der Sportstrukturen rechtsextreme und menschenfeindliche Einstellungen existieren. Es liegt also auf der Hand, dass Sportverbände und -vereine ein wichtiger Partner für die Stärkung der Demokratie und im Kampf gegen Rechtsextremismus sind.

Deshalb war es auch ein positives Signal, dass 2021 im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung ein „Bundesprogramm gegen Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit im Sport“ verankert wurde. Im Sommer 2023 wurde schließlich das Bundesprogramm mit einem konkreten Konzept durch das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) hinterlegt und durch den Haushaltsausschuss die noch für dieses Jahr eingestellten finanziellen Mittel freigegeben. Jetzt endlich, muss man sagen, nimmt das Bundesprogramm an Fahrt auf. Die Deutsche Sportjugend (dsj) und das Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp) wurden als Zentralstellen für die festgelegten Fördersäulen eingesetzt. Konkretes Ziel des Bundesprogramms gegen Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit ist es Sportvereinen, Sportverbänden und Fanprojekten zu ermöglichen, ihre Aktivitäten gegen Rechtsextremismus und für Demokratiebildung auszubauen. Auch an Schnittstellen zu bestehenden Bundesprogrammen im Themenfeld.

Für die noch verbleibenden Monate im Jahr 2023 stehen der dsj nun zur Projektförderung in Sportverbänden, -vereinen und Fanprojekten 1,2 Mio. Euro für Maßnahmen gegen Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit zur Verfügung. Trotz der unglaublich kurzfristigen Antragsfrist haben die antragsberechtigten Vereine, Verbände und Fanprojekte gezeigt, wie viele Ideen sie für ein Engagement gegen Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit haben und wie schnell sie diese auch umsetzen wollen und können. 102 Anträge mit einem Antragsvolumen von über 2,5 Mio. Euro gingen bei der dsj ein. Die Vielfalt der Anträge ist atemberaubend: Sie kommen aus ganz Deutschland und aus zahlreichen Sportarten – vom kleinen ehrenamtlich geführten Verein, über migrantische Sportvereine bis zum großen Sportverband auf Landes- oder Bundesebene. Auch die Bandbreite an Themen ist riesig: Manche planen Maßnahmen gegen Rassismus oder Sexismus, andere gegen Antisemitismus im Sport. Maßnahmen zum Thema NS-Erinnerungsarbeit sind ebenso vertreten wie Fortbildungsmaßnahmen von Haupt- und Ehrenamtlichen zum Thema Rechtsextremismus oder starke und kreative Statements auf Bannern, Booten und Socken. Eins ist klar: Sportvereine, Sportverbände und Fanprojekte wollen sich konkret gegen Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit engagieren. Der Bedarf für eine Förderung ist riesig.

Klar ist aber leider auch: Während in 2023 für das Bundesprogramm 1,5 Mio. Euro zur Verfügung standen, sieht der Haushaltsentwurf für 2024 nur 1 Mio. Euro vor. Im Gegensatz zum laufenden Jahr ist von der Summe in 2024 auch ein größerer Betrag für die Forschungssäule im Bundesprogramm eingeplant, der nicht in die Projektförderung für Sportorganisationen fließen wird. Wie wir aber in nur wenigen Wochen der Antragsstellung feststellen konnten, ist der Bedarf einer nachhaltigen Förderung der Praxis um ein Vielfaches höher. Bleibt das Bundesprogramm mittel- und langfristig nur auf Sparflamme, können keine langfristigen und nachhaltigen Strukturen aufgebaut werden, die sich gegen Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit im Sport einsetzen. Damit würde man den Ideenreichtum und das Engagement des organisierten Sports und damit eine große Chance der Demokratieförderung auf der Straße liegen lassen.

Der Kampf gegen Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit ist entscheidend für unsere Demokratie. Der organisierte Sport kann und will sich einbringen – die Aufgabe der Politik ist es nun nicht nur ein Programm im Koalitionsvertrag vorzusehen, sondern ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, wenn es konkret wird. Noch ist eine Anpassung des Bundeshaushalts 2024 möglich.

Dieses Bundesprogramm ist eine Chance, die der organisierte Sport nutzen will, nutzen muss und nutzen wird!

Quelle. DOSB-Presse vom 4. Oktober 2023


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