Nach gut einem halbem Jahr Amtszeit der aktuellen Bundesregierung nimmt die AGJ in ihrer Stellungnahme „Junge Menschen im Mittelpunkt: Rechte der jungen Generation verwirklichen und demokratische Teilhabe stärken – Einschätzungen und Empfehlungen zu den kinder- und jugend(hilfe)politischen Vorhaben der Bundesregierung in der 21. Legislaturperiode“ die kinder- und jugend(hilfe)politischen Vorhaben auf Bundesebene in den Blick.
Zusammenfassung zentraler Botschaften:
Die AGJ begrüßt die im Koalitionsvertrag angekündigten Reformen (inklusive Kinder- und Jugendhilfe, Qualitätsentwicklung in Kitas, Ganztag, digitaler Kinder- und Jugendschutz, Kinderschutz), warnt aber vor Zielkonflikten, Unterfinanzierung und Fragmentierung. Sie fordert eine Politik des „sozialen Bildungsstaates“, in der Kinder- und Jugendhilfe als präventives, ganzheitliches System mit stabiler Finanzierung und klaren Zuständigkeiten verstanden wird.
Jugendpolitik und Beteiligung
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Jugendbeteiligung soll verbindlich, dauerhaft und ressortübergreifend verankert werden (NAP Kinder- und Jugendbeteiligung, Jugendstrategie, Wahlalter 16, Kinderrechte ins Grundgesetz). Die AGJ betont die Bedeutung auch digitaler und inklusiver Beteiligungsräume sowie die Einbindung von Trägern der Jugendhilfe in Konzeption und Umsetzung (z. B. Jugendgipfel).
Ganztag und Bildungslandschaften
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Der Ganztag soll als eigenständiger Bildungs-, Betreuungs- und Erziehungsort mit multiprofessionellen Teams, verbindlicher Kooperation Schule–Kinder- und Jugendhilfe und klaren Qualitätsstandards (u. a. Beteiligung, Schutzkonzepte, Inklusion, Bewegung) ausgebaut werden. Angebote freier Träger – einschließlich Kinder- und Jugendarbeit und Ferienangebote – sollen als rechtsanspruchserfüllend anerkannt, qualitativ gesichert und verlässlich finanziert werden, ohne die offene Kinder- und Jugendarbeit zu verdrängen.
Armutsprävention, Teilhabe und Infrastruktur
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Die Kinder- und Jugendhilfe wird als zentrale Akteurin der Armutsprävention und Chancengerechtigkeit beschrieben, deren niedrigschwellige Angebote (u. a. Freizeit, Bildung, Begegnung) nicht gegen monetäre Leistungen ausgespielt werden dürfen. Gefordert werden eine entschlossene Umsetzung der EU-Kindergarantie, armutssensible Planung von Angeboten sowie ein unbürokratischer, diskriminierungsarmer Zugang zu Bildungs, Kultur- und Freizeitangeboten (BuT, Mittagsverpflegung, Teilhabe-App nur mit analogen Zugängen).
Demokratiebildung und Extremismusprävention
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Programme wie „Demokratie leben!“ und der KJP werden als zentrale Säulen für Demokratiebildung, Vielfalt und menschenrechtsbasiertes Handeln hervorgehoben. Die AGJ warnt vor delegitimierenden Angriffen, fordert eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft und betont, dass Demokratiebildung nicht „neutral“ sein kann, sondern klar gegen Menschenfeindlichkeit positioniert sein muss.
Digitale Lebenswelten und Schutz
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Gefordert wird, digitale Teilhabe über Schule hinaus (Digitalpakt auch für Kinder- und Jugendhilfe) zu denken und Social Media als wichtigen Teil von Teilhabe- und Lernräumen junger Menschen anzuerkennen. Statt Social-Media-Verboten für unter 16-Jährige verlangt die AGJ Befähigung, Schutzkonzepte, europäische Regulierung) und Unterstützung einer starken, digital kompetenten Kinder- und Jugendhilfe.
Fachkräfte und Rahmenbedingungen
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Ohne ausreichend qualifizierte und gut bezahlte Fachkräfte in allen Handlungsfeldern der Kinder- und Jugendhilfe lassen sich Ausbauziele etwa in Kita, Ganztag und Jugendarbeit nicht realisieren. Die AGJ fordert eine bundeseinheitlich abgestimmte Fachkräftestrategie (Gewinnung, Qualifizierung, gute Arbeitsbedingungen, demokratiebezogene Kompetenzen) und warnt vor rein kostengetriebenen Lösungen, die Care-Arbeit abwerten.
Finanzielle und strukturelle Grundlagen
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Der Kinder- und Jugendplan (KJP) soll als „Rückgrat“ der bundeszentralen Infrastruktur der Kinder- und Jugendhilfe dynamisiert und bedarfsgerecht erhöht werden, da sonst reale Kürzungen und Angebotsabbau drohen. Für Programme wie „Demokratie leben!“, Ganztag, frühkindliche Bildung, Freiwilligendienste und internationale Jugendarbeit verlangt die AGJ Planungssicherheit und Verstetigung.
Die AGJ bietet schließlich der Bundesregierung an, die Umsetzung der Reformvorhaben gemeinsam mit Fachpraxis, Wissenschaft und jungen Menschen zu begleiten und setzt auf einen dauerhaften Dialog. Im Mittelpunkt soll eine starke, inklusive Kinder- und Jugendhilfe stehen, die demokratische Teilhabe, Bewegung, Bildung, Schutz und soziale Integration aller jungen Menschen – unabhängig von Herkunft, Status oder Wohnort – gewährleistet.