Recht statt Pflicht: Plädoyer für einen Rechtsanspruch auf Freiwilligendienst

Quelle: Privat

Ein Kommentar von Claudio Jax

Freiwilligendienste haben ein großes bisher ungenutztes Potential. Mit den richtigen politischen Weichenstellungen kann die Zahl der Freiwilligen von heute 100.000 pro Jahr kurzfristig verdoppelt und mittel- bis langfristig eine Kultur stetig anwachsender selbstverständlicher Freiwilligkeit etabliert werden. Von einem Freiwilligendienst profitieren dabei alle: die Freiwilligen selbst, die Einsatzstellen und die Gesellschaft.  

Das Potential der Freiwilligendienste erkennt auch unser Bundespräsident, der ein Dienstjahr für alle fordert. Eine Dienstpflicht bedeutet aber einen tiefen Eingriff in die biografische Souveränität des Einzelnen. Die Idee einer Antwort darauf:  

Alle jungen Menschen erhalten zum Ende ihrer Schulzeit eine persönliche Einladung zum Freiwilligendienst, etwa als Brief des Bundespräsidenten, zusammen mit einem Förder-Gutschein, der das attraktive und den Lebensunterhalt sichernde Freiwilligengeld auf BAföG-Niveau sichtbar macht. Mittels eines QR-Codes, der zu einer jugendgerechten Landingpage führt, die alle Infos an einem Ort darstellt, entsteht ein Bewusstsein über die Möglichkeit einen freiwilligen Dienst zu leisten.   

Wenn dadurch zukünftig jährlich mehrere hunderttausend (junge) Menschen in einem Freiwilligendienst im In- und Ausland, im Sport, in der Kultur, im Sozialen und in der Ökologie tätig würden, könnten insofern nicht nur die Sportvereine und -verbände als attraktive Einsatzstellen davon profitieren, sondern neben den jungen Menschen in ihrer Persönlichkeitsentwicklung vor allem auch unsere Gesellschaft als Ganzes. Damit könnten die Freiwilligendienste sogar einen noch größeren Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt und zur Stärkung unserer Demokratie leisten.  

Eine unrealistische Utopie? Damit diese Zukunftsvision Wirklichkeit werden kann, braucht es folgenden Dreiklang von sich gegenseitig verstärkenden Maßnahmen:  

  1. das Recht auf einen bedarfsgerecht ausgestalteten, nachhaltig finanzierten Dienst,   
  2. ein existenzsicherndes Minimum für alle Freiwilligen mit einem staatlich finanzierten Freiwilligengeld auf BAföG- Niveau,   
  3. auffordernde Einladung und Beratung aller Schulabgänger*innen.   

 Wenn darauf aufbauend allen jungen Menschen eine persönliche Beratung zu ihren Möglichkeiten angeboten wird, wahlweise bei einem Träger der Freiwilligendienste, löst das einen Entscheidungsprozess aus. Wie viele Jugendliche würden unter diesen Voraussetzungen zukünftig auf die Frage „Willst du einen Freiwilligendienst machen, du wirst gebraucht?“ mit „Ja“ antworten?  

Wenn dieses attraktive Angebot zudem mit einem Rechtsanspruch auf eine angemessene Förderung aller geschlossenen Freiwilligendienst-Vereinbarungen hinterlegt ist und es dadurch genügend Einsatzstellen für alle Interessierten gibt, kann eine ganz neue Dynamik entstehen.  

Wer einen Einsatzplatz gefunden hat oder anbietet, erhielte eine Finanzierung dafür sowie Rechts- und Planungssicherheit. Wie viel mehr Sportvereine würden sich in Zukunft dafür entscheiden Einsatzplätze anzubieten?    

Claudio Jax ist Geschäftsführer Freiwilligendienste weltweit beim Freunde der Erziehungskunst Rudolf Steiners e.V. und stellv. Vorsitzender des Verbandes AKLHÜ – Netzwerk und Fachstelle für internationale Personelle Zusammenarbeit. Eine ausführlichere Version des Plädoyers für einen Rechtsanspruch auf Freiwilligendienst ist in der Zeitschrift Voluntaris erschienen. 


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