Bewegter Ganztag - Chancen und Herausforderungen

Quelle: Adobe Stock/ JackF

Ein Kommentar von dsj-Vorstandsmitglied Julian Lagemann

Das Jahr 2026 liegt vermeintlich noch in weiter Ferne. Allerdings steht mit dieser Jahreszahl ein großer Umbruch bevor. Der bundesweite Rechtsanspruch auf eine ganztägige Betreuung und Förderung von Kindern im Grundschulalter wird auch in den westlichen Bundesländern Wirklichkeit und bringt damit eine der größten Veränderungen für den organisierten Sport. Die Verfügbarkeit von sowieso schon knapp bemessenen, (Sport)räumen, die den Kindern zur Verfügung stehende Zeit, die Aufmerksamkeit von Fördermittelgebern, all das wird sich verändern. Der Sport, so groß und träge er manchmal daherkommen mag, gestaltet diese Veränderungen schon jetzt aktiv mit. Denn klar ist: Bewegung, Spiel und Sport müssen Einzug halten in den Ganztag (zumindest dort, wo er noch nicht so etabliert ist). Der alarmierende Bewegungsmangel ist seit Jahren beschrieben und bekannt und hat sich durch Pandemiegeschehen nicht verbessert, wie z. B. der Bericht der interministeriellen Arbeitsgruppe zur „Kindergesundheit und Corona“ verdeutlicht, an dem die dsj mitgearbeitet hat. Hier kann der Ganztag ein wichtiger Baustein sein, um der Entwicklung entgegenzuwirken. Jedoch sind verschiedene Dimensionen zu betrachten:

Es braucht einen Rahmen, der Bewegung, Spiel und Sport im Verein mitdenkt. Gute Rahmenbedingungen sind essenziell für eine flächendeckend erfolgreiche Umsetzung des Ganztagsanspruchs. Der organisierte Sport steht mit seiner Expertise bereit, muss aber auch aktiv mitwirken dürfen. Denn einen bewegten Ganztag bekommt man nur gemeinsam mit dem organisierten Sport hin.

Es braucht ein gemeinsames Bildungsverständnis, das sich an den Bedürfnissen und Lebenslagen junger Menschen orientiert. Der Ganztag darf keine Verwahroption für Kinder sein, sondern muss als Chance für Bildungsgelegenheiten begriffen und gelebt werden. Dazu gehört auch unverzweckte Zeit, die durch freie Bewegung und Spiel gefüllt werden kann.

Entscheidend ist die Gestaltung des Ganztags auf kommunaler Ebene. Hier hängt viel von den jeweiligen Kommunen und Bundesländern ab. In einigen Bundesländern gibt es bereits erprobte Konzepte für den bewegten Ganztag. Es lohnt sich, die Gelingensbedingungen genauer zu bewerten und zu übertragen. Eine entscheidende Bedingung wird sicherlich die Zusammenarbeit auf Augenhöhe sein, denn Schule und Verein haben oft unterschiedliche Strukturen. Kommunale Netzwerkmanager*innen könnten hier unterstützend eingesetzt werden, um die Zusammenarbeit zwischen Ganztagsträger (der auch ein Sportverein sein kann) und Sportverein zu verbessern.

Wir brauchen Menschen, die den Ganztagsanspruch umsetzen. Der organisierte Sport sollte als natürlicher Partner von Hochschulen und Trägern bei der Aus- und Fortbildung von Fachkräften im Ganztag gesehen werden. Nur wenn man voneinander weiß und versteht, kann die nötig o. g. Augenhöhe hergestellt werden. Es wird spannend sein zu sehen, wie sich die Arbeitswelt verändert und ob es in Zukunft den Beruf „Fachkraft Bewegter Ganztag“ geben wird. Auch Freiwilligendienstleistende können Bewegung in den Ganztag bringen, da es bereits viele Erfahrungswerte aus dem Freiwilligendienst im Sport gibt.

Es ist also keinesfalls Grund zur Panik angesichts des bevorstehenden Ganztagsanspruchs. Die angekündigten Regelungen rund um den Ganztag sind Chance und Herausforderung zugleich. Doch es ist von immenser Bedeutung, Bewegung, Spiel und Sport von Anfang an mitzudenken, die Landessportjugenden in die Gesetzgebungsverfahren der Länder einzubeziehen und auch die dsj bei den Beratungen zu einem bundesweiten Qualitätsrahmen für den Ganztag zu beteiligen. Die Fachverbände spielen mit ihrer Expertise ebenfalls eine wichtige Rolle, insbesondere bei Aus- und Fortbildungen von Fachkräften im Ganztag.

Im Sinne der Grundschulkinder ist der Ganztag bewegt zu gestalten. Er muss zu einem Lebens-, Bildungs- und Bewegungsort werden, in dem die Perspektiven und Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen berücksichtigt und Kinderrechte umfassen verwirklicht und gewährleistet werden. Die Rahmenbedingungen müssen optimiert werden, die Zusammenarbeit auf Augenhöhe zwischen Schulen, Sportvereinen und anderen Akteur*innen vor Ort gestärkt werden und die Aus- und Fortbildung von Fachkräften im Ganztag muss Bewegung, Spiel und Sport in den Fokus rücken. Daraus ergibt sich die Chance, dem Bewegungsmangel entgegenzuwirken, das gesunde Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen zu fördern und die Bedeutung von Bewegung, Spiel und Sport als integralen Bestandteil von Bildung und Erziehung zu betonen. Der Ganztag bietet die Möglichkeit, Bewegung, Spiel und Sport als selbstverständlichen und unerlässlichen Teil des Alltags zu etablieren und damit einen positiven Beitrag zur gesundheitlichen, sozialen und kognitiven Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu leisten. Es ist an der Zeit, dass der Sport seine Expertise einbringt (bzw. einbringen darf) und aktiv an der Gestaltung des Ganztags mitwirkt, um eine zukunftsorientierte und ganzheitliche Bildung für unsere Kinder und Jugendlichen zu ermöglichen. Es liegt in unserer Verantwortung, Bewegung, Spiel und Sport in den Ganztag zu integrieren und damit eine lebenslange Leidenschaft für Bewegung und ein gesundes, aktives Leben für unsere Kinder und Jugendlichen zu fördern. Packen wir es gemeinsam an!

Quelle: DOSB Presse


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