Das Leben im Sport ist bunt – mental gesund

„Grau is alle Pandemie – Entscheidend is auf´m Platz“

Bewegungs-, Spiel- und Sportangebote sind wichtig für die ganzheitliche Gesundheit junger Menschen. Das gilt sowohl in der aktuellen pandemischen Situation als auch grundsätzlich im normalen Alltag. Wir fordern, Bewegung, Spiel und Sport als Grundlage für das gesunde Aufwachsen junger Menschen anzuerkennen und damit die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen umfänglich zu betrachten und zu berücksichtigen.

Bewegungsmangel in der Pandemie und Auswirkungen bei Kindern und Jugendlichen

Die Corona-Pandemie ist für viele Menschen belastend. Die Belastungen scheinen außerdem sozial ungleich verteilt zu sein, denn besonders treffen sie junge Menschen, für die sich der Alltag wesentlich geändert hat. Wird die Dauer der Pandemie, mit den verbundenen Einschränkungen, in Relation zur Lebenszeit betrachtet, ist sie für ein Kind ein größerer Teil des Lebens sowie ein stärkerer Belastungsfaktor als für einen Erwachsenen. Seit der Pandemie werden junge Menschen pauschal in ihren institutionellen Rollen, z. B. als Schüler*innen wahrgenommen. Doch Kinder und Jugendliche befinden sich in einer sehr sensiblen Lebensphase. Sie artikulieren ihre Interessen, gehört zu werden und mitgestalten zu können, wenn es ihre Lebensumstände betrifft, und haben das Bedürfnis, sich mit anderen zu gemeinsamen Aktivitäten wie dem Sport im Verein zu treffen, sich zu bewegen. Sie stehen vor Entwicklungsaufgaben, brauchen Frei- und Bewegungsräume, Möglichkeiten, sich auszuprobieren sowie Fehler zu machen. Durch den Wegfall des Kontakts zu Freund*innen, Gleichaltrigen und weiteren Vertrauenspersonen werden ihnen wichtige Erfahrungen genommen, was sich auf die psychische Gesundheit und nachhaltig auf die ganzheitliche Entwicklung auswirken kann. „Psychische Gesundheit ist ein Zustand des Wohlbefindens, in dem eine Person ihre Fähigkeiten ausschöpfen, die normalen Lebensbelastungen bewältigen, produktiv arbeiten und einen Beitrag zu ihrer Gemeinschaft leisten kann.

In zentralen Übergangsphasen kommt es durch die Beschränkungen der Pandemie vermehrt zu Unsicherheiten bis hin zur Perspektivlosigkeit. Aktuell fühlen sich 71 % der Kinder und Jugendlichen durch die bestehenden Beschränkungen der Pandemie psychisch belastet. Psychosomatische Beschwerden haben eklatant zugenommen. Junge Menschen sind niedergeschlagener (11 %) und gereizter (14 %) als vor der Pandemie. Das Risiko für psychische Auffälligkeiten ist um 12 % angestiegen.2 Zahlen, denen durch Sport und Bewegung entgegengewirkt werden muss.

Bewegung, Spiel und Sport im Verein als wichtige Basis für gesundes Aufwachsen

Kinder und Jugendliche brauchen Bewegung. Sie haben nicht nur einen natürlichen Bewegungsdrang, sondern begreifen die Welt in der frühen Lebensphase durch Bewegung. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe alle Kinder und Jugendliche dort abzuholen, wo sie sich in den Lockdownphasen hin entwickelt haben, sie dort wo nötig zu unterstützen und wieder einen strukturierten Lebensalltag zu entwickeln. Dazu können die Schule, aber auch alle Felder der Kinder- und Jugendarbeit, inkl. der Sportjugendarbeit in partnerschaftlicher Zusammenarbeit beitragen.

Die 90.000 Sportvereine mit ihren rund 10 Millionen Mitgliedschaften von Kindern und Jugendlichen sind in der Landschaft Sportdeutschlands sozial tief im jeweiligen Umfeld verankert und leisten zu dieser Aufgabe bereits jetzt einfallsreich und mit vielen Ideen einen wesentlichen Beitrag, der durch förderliche Rahmenbedingungen weiterentwickelt und ausgebaut werden kann. Neben Bewegung, Spiel und Sport in sozialen Gemeinschaften und zielgruppenspezifischen niedrigschwelligen Angeboten bietet der Vereinssport elementar wichtige Faktoren für gesundes Aufwachsen: er beinhaltet immenses Bildungspotenzial und ist Kulturgut. Die Deutsche UNESCO-Kommission hat daher, u. a. aufgrund der breitenkulturellen Gemeinwohlorientierung, der zahlreichen Lehr- und Lerngelegenheiten und der gesellschaftlichen Wertevermittlung, die Sportvereinskultur in das Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Sportvereine sind Gesundheitsförderer, Spaßvermittler, Lernorte für Demokratie und die Werte des Sports, wie Respekt, Toleranz, Fairplay und Solidarität. Durch das soziale Erlebnis mit Gleichaltrigen und die Begeisterung für die gemeinsame Sache, den Sport, stellt der Vereinssport eine wichtige Basis für die ganzheitliche Persönlichkeitsentwicklung dar.

Doch aufgrund der Corona-Pandemie sind viele Plätze leer. Freiräume werden zu Sperrzonen. Insgesamt sind etwa 7,3 Millionen junge Menschen bis 18 Jahre ohne Vereinsaktivitäten.5 Sie haben sich zwar, meist digital, Ersatz gesucht, doch der Zugang zu Bewegungsmöglichkeiten ist stark abhängig vom Lebensumfeld und ihrer sozio-ökonomischen Situation. Die Schließung von Sportvereinen hat zur Folge, dass insgesamt im Durchschnitt ca. 28,5 Minuten pro Tag weniger Sport getrieben werden. Und schon vor Corona sind viele Kinder und Jugendliche nicht auf die empfohlenen Bewegungszeiten gekommen.6 Alarmierende Zahlen, die sich negativ auf das gesunde Aufwachsen sowie das Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen auswirken.

Mentale Gesundheit in den Blick nehmen und psychische Ungesundheit enttabuisieren

Der Anteil der Kinder und Jugendlichen mit geminderter gesundheitsbezogener Lebensqualität hat sich durch die Pandemie deutlich erhöht (25 %). Wir setzen uns dafür ein, dass Kinder und Jugendliche in Sportvereinen aktiv sind und fordern, den Zugang zu Bewegung im Verein unter Berücksichtigung von Hygienemaßnahmen wieder möglich zu machen. Da die Angebote von Sportvereinen Präventionsangebote sind, können Wohlbefinden und Lebensqualität mit ihnen erhöht und damit Krankheiten reduziert werden. Diese Chancen sollten genutzt werden, um einer kranken und bewegungsarmen Generation vorzubeugen und junge Menschen nachhaltig zu stärken.

Bewegung, Spiel und Sport begünstigen außerdem positive Emotionen, bspw. durch die Bildung von Glückshormonen und die Förderung von Stressbewältigung. Angebote von Sportvereinen bewirken darüber hinaus, dass junge Menschen lernen, sich für sich und ihre Interessen sowie ihre Mitmenschen einzusetzen. Diese positiven Erfahrungen in einer Gemeinschaft schaffen Verbundenheit und Zugehörigkeit. Durch Engagement, die Ausübung des Sports und durch das Vereinserlebnis können gemeinsam Lebenswelten gestaltet werden. Vereinsangebote sollten aktuell aktiv nutzbar sein, um Herausforderungen zu überwinden und den Alltag positiver zu gestalten. Durch sie können psychischen Belastungen entgegengewirkt, Wohlbefinden gesteigert und damit die Lebensqualität junger Menschen wieder erhöht werden. Sportvereine sollten als verantwortungsvolle Akteure anerkannt werden und ihrer Rolle gerecht werden dürfen. Vereinsangebote sind für junge Menschen physisch, sozial und psychisch wichtige Bausteine für ein gesundes Aufwachsen. Lebensrealitäten und Ängste junger Menschen sollten ebenso wie ihre spezifische Situation ernst genommen werden, denn viele junge Menschen trauen sich nicht über mentale Herausforderungen zu sprechen. Durch die Vielseitigkeit der Werte des Sports werden jedoch eine Kultur des Hinsehens sowie ein respektvoller Umgang miteinander gefördert und damit Barrieren abgebaut.

Sportvereine und -verbände sorgen für ein „Wir-Gefühl“ und Halt, schaffen ein sicheres Umfeld und bieten soziale Unterstützung. Sie fördern Verbundenheit und Zugehörigkeit und sind daher in der aktuellen Situation wertvolle Anker. Sie sollten mit ihren Möglichkeiten zur Begegnung mit anderen Gleichaltrigen und Vertrauenspersonen sowie ihrer pädagogischen Expertise zugänglich sein, um Austausch zu ermöglichen und jungen Menschen beizustehen. Mentale (Un-)Gesundheit darf kein Tabu-Thema sein.

Junge Menschen aktiv beteiligen

Wir setzen uns für Teilhabe und Mitbestimmung junger Menschen auf verschiedensten Ebenen ein. Im Sport wird demokratische Beteiligung gefördert und gefordert. Kinder und Jugendliche müssen differenziert betrachtet und dürfen nicht in Schubladen gesteckt werden. In Sportvereinen übernehmen ca. 10 Millionen junge Menschen für sich und andere Verantwortung, die sie von der Gesellschaft auch zugetraut und zugesprochen bekommen sollten. „Jungen Menschen sind die zur Förderung ihrer Entwicklung erforderlichen Angebote der Jugendarbeit zur Verfügung zu stellen. Sie sollen an den Interessen junger Menschen anknüpfen und von ihnen mitbestimmt und mitgestaltet werden, sie zur Selbstbestimmung befähigen und zu sozialen Engagement anregen und hinführen“.

„Entscheidend is auf´m Platz“: Kinder und Jugendliche wieder in Bewegung bringen!

Die Lebensrealität junger Menschen ist bunt, nicht grau. Wenn über Gesundheit gesprochen wird, sind Bewegung, Spiel und Sport als zentrale Bausteine zu sehen. Um junge Menschen wieder zu bewegen und ihre ganzheitliche Gesundheit zu fördern, fordern wir Bund, Länder und Kommunen auf:

Forderung 1: Zugang zu Sportvereinen und Bewegungsräumen ermöglichen und aufrechterhalten
Durch Sportvereinsangebote sollten Kindern und Jugendlichen Bewegung und soziale Teilhabe möglich gemacht werden. Nur so kann die Gesundheit junger Menschen ganzheitlich gefördert werden. Die Vermittlung der Einhaltung sowie die Anerkennung von Regeln sind dem Sport immanent. Daher können Vereinsangebote auch in Ausnahmesituationen, wie beispielsweise der Corona-Pandemie, bei Beachtung von besonderen Regelungen zugänglich sein. Entscheidungsträger*innen in Gesundheits-, Jugend-, Sozial- und Sportpolitik sowie entsprechende Behörden vor Ort sollten Sportvereine zudem dabei unterstützen, die Angebote mit möglichst wenig bürokratischem Aufwand durchzuführen und geeignete Plätze und ggf. alternative Bewegungsorte zur Verfügung zu stellen. Dass Sport- und Bewegungsangebote in Vereinen, Kitas und Schulen gänzlich zum Erliegen kommen, darf sich nicht wiederholen.

Forderung 2: Bewegungsbedürfnis und -förderung systematisch berücksichtigen, um gesundheitliche Ungleichheiten zu reduzieren und Wohlbefinden zu fördern
Junge Menschen sollten einen bedingungslosen Zugang zu Bewegung als Gesundheitsförderung haben – unabhängig von Faktoren wie Geschlecht oder Identität, Wohnort oder der sozio-ökonomischen Lage. Gesundheit und Wohlergehen sind Teil der UN-Nachhaltigkeitsziele (Ziel 3), Bewegungsmangel wird als Risikofaktor deklariert. Daher sollten Zugänge zu Bewegung, Spiel und Sport unbedingt strategisch Berücksichtigung finden. Dies ist von besonderer Bedeutung für die ganzheitliche Entwicklung von jungen Menschen. In Bau-, Stadtplanung- und Bürger*innen-Beteiligungsprozessen in Städten und Gemeinden sollten beispielsweise wohnortnahe Bewegungsräume eingeplant werden, Sportplätze sollten barrierefrei zugänglich sein. Insbesondere für den Wiedereinstieg sollten unkonventionelle Maßnahmen für Sportvereine möglich sein, um unter Hygienemaßnahmen viele junge Menschen zu erreichen, speziell auch Kinder und Jugendliche mit erschwerten Zugangsbedingungen.

Forderung 3: Freiräume zur Teilhabe und Beteiligung junger Menschen (in der Pandemie) schaffen
Sportvereine bieten Plattformen, um sich mit Gleichaltrigen auszutauschen und wahrgenommen zu werden. Kinder und Jugendliche haben eigene Interessen, die berücksichtigt werden sollten. In Entscheidungsprozessen auf allen politischen Ebenen sollte daher die Beteiligung junger Menschen möglich sein. Durch Vertreter*innen sowie Jugendvertreter*innen von Verbänden und Vereinen, Schulen und Kitas sollte bei kommunalen, regionalen oder bundesweiten Sitzungen und Anhörungen sichergestellt werden, dass die Stimme junger Menschen gehört und ernst genommen wird.

Forderung 4: Sportvereine in ihrer Rolle im Sozialraum unterstützen und stärken
Auf Grundlage der Pandemie-Erfahrungen sollten für Sportvereine in der eigenen Gemeinde oder Stadt Möglichkeiten erörtert und aufgezeigt werden, wie sie in den Sozialraum hinein aktiv werden und wirken können, sofern der Verein den Unterstützungsbedarf signalisiert. Denn Sportvereine als starke (Bildungs-)Akteure im Sozialraum können fördernd für gesundes und vernetztes Aufwachsen im Wohnumfeld wirken und bieten jungen Menschen wichtige Lern- und Erfahrungsräume. Dazu braucht es differenzierte kommunale Konzepte, die gemeinsam mit den Akteur*innen vor Ort inklusive Kindern und Jugendlichen im Rahmen eines kommunalen Sportentwicklungsprozesses entwickelt und etabliert werden und dann dauerhaft über feste Strukturen partizipativ weiter begleitet werden. Die Landessportjugenden sind geeignete Partner für das Anstoßen solcher Prozesse. Berücksichtigt werden sollte dabei ebenfalls, dass gerade von Kindern und Jugendlichen viel Sport auch „on demand“ an selbstgewählten Sportorten gemacht wird. Hier sollten bestehende digitale Möglichkeiten unter Beteiligung der Jugendstrukturen des Sports ausgebaut und verbessert werden.


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