Debatte um Dienstpflicht

Ein Interview des Deutschlandfunks mit Dr. Jaana Eichhorn

Rund 4000 Freiwilligendienstleistende sind aktuell im Sport tätig. Es gebe weitaus mehr interessierte junge Menschen – doch viele Vereine seien gegenüber anderen Bereichen kaum konkurrenzfähig, sagte Jaana Eichhorn von der Deutschen Sportjugend im Deutschlandfunk. Es gebe aber Wege, dies zu ändern. 

„Würde es unserem Land nicht guttun, wenn sich Frauen und Männer für einen gewissen Zeitraum in den Dienst der Gesellschaft stellen?“ 

Diese Frage hat Bundespräsident Franz Walter Steinmeier in der BILD-Zeitung aufgeworfen und damit mal wieder die Einführung von einem Pflichtdienst angeregt. Das sei aber eher eine Scheindebatte, meint Jaana Eichhorn von der Deutschen Sportjugend (dsj) im Deutschlandfunk. 

Nur ein geringer Anteil der Freiwilligen arbeitet im Sport 

Sie verweist auf die bereits bestehenden Freiwilligendiensten wie dem Freiwilligen Sozialen Jahr oder den Bundesfreiwilligendienst. Die rund 100.000 Freiwilligen arbeiten in Kitas, in kirchlichen Einrichtungen oder in der Pflege. Rund 4000 Freiwilligendienstleistende seien aber aktuell in auch Sportvereinen oder Sportverbänden tätig, sagte Eichhorn – rund die Hälfte davon im Rahmen eines Freiwilligen Sozialen Jahres. 

Ihr Tätigkeitsschwerpunkt sei dabei die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, so Eichhorn, die bei der dsj die Arbeit der Freiwilligendienstleistenden koordiniert. Gerade nach der Pandemie liege der Schwerpunkt für die dsj darin, Kinder und Jugendliche in Bewegung zu bringen. Die Freiwilligendienste leisteten hier einen sehr wertvollen Anteil, um dieses Ziel zu erreichen. Die Freiwilligendienstleistenden seien wirklich 40 Stunden pro Woche in den Sportvereinen tätig – anders als die vielen sonstigen Arbeitskräfte in den Vereinen, die dort zumeist nicht hauptberuflich tätig seien. 

Vereine müssen Freiwilligendienste selbst finanzieren 

Allerdings seien im Sport weitaus weniger Freiwillige im Einsatz als in anderen Bereichen, etwa in Krankenhäusern oder der Altenpflege. Dies liege daran, dass die Strukturen der Sportvereine im Vergleich zu anderen Anbietern wie Krankenhäusern oder Altenheimen weniger professionell seien. Das zeige sich auch an den beschränkten finanziellen Möglichkeiten: Die Kosten für Freiwilligendienste müssten die Vereine im Regelfall über Mitgliedsbeiträge aufbringen. 

Trotz öffentlicher Zuschüsse müssten Vereine immer noch 400 bis 500 Euro im Monat tragen, um die Kosten für Freiwilligendienstleistende zu decken, rechnete Eichhorn vor. Die Freiwilligen würden im Sport zudem ein relativ geringes Taschengeld von 300 Euro bekommen. Viele andere Einsatzstellen außerhalb des Sports könnten einfach mehr zahlen und weitere Zuschüsse geben, etwa für eine Unterkunft. 

Mehr staatliche Zuschüsse – auch für mehr Diversität 

Der Sport sei, was die materiellen Anreize anbetrifft, daher nicht wirklich konkurrenzfähig. Es seien mehr staatliche Zuschüsse notwendig, forderte Eichhorn im Dlf, vor allem wenn man den Freiwilligendienst zugangsoffen für alle gestalten möchte. 

Nach einer Studie der Bertelsmann-Stiftung hat eine deutliche Mehrheit der Freiwilligen Abitur und keinen Migrationshintergrund. Das Ziel müsse es sein, so Eichhorn, auch mehr junge Menschen aus Herkunftsfamilien zu gewinnen, die nicht in der Lage sind, die Basiskosten des Lebens selbst zu übernehmen. 

Gratis-Bahnticket – mehr Anreize für Freiwilligendienste 

Um mehr Freiwillige für den Sport zu gewinnen, brauche es einen Ausbau der bestehenden Strukturen und grundsätzlich mehr Anerkennung für den Freiwilligendienst, sagte die dsj-Beauftragte Eichhorn. Dies könnte das bereits vor Jahren entwickelte Konzept eines Jugendfreiwilligenjahres sein. Oder ein Gratis-Bahnticket für Freiwilligendienste oder die Anrechnung bei der Vergabe von Studienplätzen oder Ausbildungsplätzen im Öffentlichen Dienst. 

Das Ziel müsse es sein, dass es eine gesellschaftliche Idee werde, dass ein Freiwilligendienst im Werdegang für junge Menschen dazugehöre. So könnten es im Jahr 2030 nicht mehr nur zehn Prozent eines Jahrgangs sein, die sich für einen Freiwilligendienst begeistern, sondern 40 Prozent. 

Sport bietet attraktives Umfeld für Freiwilligendienste 

Es gebe bei jungen Menschen ein sehr großes Interesse an Freiwilligendiensten im Sport, aber auch in der Kultur und im ökologischen Bereich, so Eichhorn. Gerade der Sport biete hochattraktive Einsatzplätze und ein gutes Lernfeld, nämlich die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen im sportlichen Bereich. 

Junge, interessierte Menschen könnten dort Selbstwirksamkeit ausprobieren und lernen, Probleme zu lösen. Dabei werden die Freiwilligendienstleistenden an ihren Einsatzstellen von pädagogischen Fachkräften begleitet. Im Rahmen von Seminaren könnten Übungsleiter- und Trainerlizenzen erworben werden. All dies helfe jungen Menschen dabei zu wachsen. 

Das Interview von Jaana Eichhorn mit Maximilian Rieger gibt es auf der Website des Deutschlandfunks zum Nachhören. 


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