Die Nachhilfe-Milliarde der Bildungs- und Kultusminister*innen

Auch für Bewegung und den Schulsport?

Mal wieder geht es bei der Debatte um Jugend, vor allem um die vorhandenen Defizite und um die „Jugend als Schuljugend“. So meldete Ende März 2021 Bildungsministerin Anja Karliczek, sie wolle zur Unterstützung lernschwacher Schüler*innen in der Corona-Pandemie eine Milliarde Euro für ein Nachhilfeprogramm ausgeben. Beim Jugendhearing von Ministerin Franziska Giffey ebenso im März 2021 lag gerade hierin die zentrale Kritik der jungen Teilnehmer*innen an der Politik: Kinder und Jugendliche sind nicht nur Schülerinnen und Schüler. Sie haben Bedarfe über Regelungen rund um Schule hinaus und wollen nicht auf ihre Rolle als Lernende reduziert werden – insbesondere von Seiten der politisch Verantwortlichen. Junge Menschen wollen ernsthaft beteiligt und nicht allein gelassen werden. Der Wunsch der Teilnehmer*innen am Hearing war es, dass diese Beteiligung an politischen Entscheidungen und Prozessen auch strukturell garantiert wird. Nun mit Nachhilfe von den Bildungs- und Kultusminister*innen versorgt zu werden, war vermutlich nicht das, was sie meinten.  

Die Nachhilfe-Milliarde ist das, was aktuell im Gespräch ist. So planen Bund und Länder wegen des massiven Schulausfalls in der Corona-Krise nun ein umfangreiches Programm für Schüler*innen. Ziel ist es, entstandene Lernrückstände aufzuholen. Entsprechende Gespräche darüber laufen, über die Details wird noch verhandelt. Auch Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) hatte sich für ein «großes Nachholprogramm» ausgesprochen. In welcher Höhe genau sich Bund und Länder daran beteiligen und welche Schüler*innen konkret ein Förderangebot bekommen sollen, wird diskutiert. 

Man kann sich als Jugendverband aus diesem Anlass wieder die üblichen Fragen stellen: Mit welchem Bild von Jugend arbeitet Schule? Im Fall der Nachhilfe-Milliarde scheint die Antwort klar: Das Bild von Jugend ist geprägt davon, dass in Mathe, Deutsch und Englisch Nachhilfe notwendig ist: „Die Schülerinnen und Schüler haben im vergangenen Jahr fast die halbe Zeit die Schule nicht besuchen können. Wir sind uns angesichts des Ausfalls einig, dass gehandelt werden muss, damit keiner den Anschluss verliert“, sagte Hamburgs Bildungssenator Ties Rabe (SPD) der Nachrichtenagentur dpa.  

Nach den Vorstellungen der SPD-geführten Länder könne mit dem Geld etwa jedem vierten oder fünften der rund elf Millionen Schüler*innen in Deutschland ein Angebot für eine Lernförderung gemacht werden: Entweder zwei Extra-Stunden pro Woche in Kleingruppen über ein gesamtes Schuljahr verteilt oder vier Förderstunden pro Woche, verteilt über ein halbes Schuljahr. Dies sollte nach Angaben Rabes möglichst unter dem Dach der Schulen stattfinden – und Nachwuchslehrer*innen, pensionierte Lehrkräfte oder Volkshochschulpersonal sollen helfen.  

Es ist gut, dass über Förderung von Kindern und Jugendlichen nachgedacht wird und Investitionen für Nachhilfe geplant werden. Das kommt auch denjenigen zugute, die zu Hause weniger Unterstützung haben. Aber vergessen wir nicht, was gerade ebenso notwendig erscheint, nämlich — auch in (Grund)Schule — mehr Spiel- und Sportraum zu schaffen, um Bewegung, Spaß und Lebensfreude zurückzugeben. Die dsj wiederholt dies gerne: Gestalten wir gemeinsam ein bewegungsfreundliches Land! Dabei drängt sich die Frage auf:  

Gibt es von der Milliarde eigentlich auch etwas für den Sportunterricht und Schulsport? 

Wie wäre es mit der Umsetzung der ur-alten Forderung zur täglichen Bewegungseinheit in der Schule? 

Kultusministerkonferenz und Sportministerkonferenz dürften in der Frage gerne einmal intensiv in den Austausch treten – der Sache wegen. Die offiziellen Zuständigkeiten sind weithin bekannt. Dem Vorsitzenden der Kommission Sport der Kultusministerkonferenz ist schonmal zu danken für den Appell an die Mitglieder der Amtschefskonferenz/Schulseite, auch für die Förderung der motorischen Kompetenzen, Mittel aus dieser Nachhilfe-Milliarde einzusetzen. Vielleicht lernen dann auch die Schüler*innen Schwimmen, die dies in den letzten Jahren versäumt haben. 

Zu guter Letzt bleibt festzuhalten: die ganze Aufarbeitung der Pandemiezeit für Kinder und Jugendhilfe ist ohnehin eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die nur in partnerschaftlicher Zusammenarbeit aller Akteur*innen, der Schule, der Kinder- und Jugendhilfe, d.h. den Jugendämtern und vor allem den Träger*innen in Kultur, Sport, Offener Kinder- und Jugendarbeit, den Jugendverbänden geleistet werden kann. 


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