Entwicklung und Zielsetzung
Der Entwurf des vor kurzem veröffentlichten Sportfördergesetzes durch die Staatsministerin für Sport und Ehrenamt, Frau Dr. Schenderlein, ist das Ergebnis eines mehrjährigen Reformprozesses, der bereits 2016 mit der Spitzensportreform begann. Damals wurde deutlich, dass die bestehende Förderlogik trotz steigender Bundesmittel nicht zu den angestrebten sportlichen Ergebnissen geführt hatte. Im Zentrum der Reformbemühungen standen seitdem Effizienz, Transparenz und eine klarere Aufgabenverteilung zwischen Bund, DOSB, Verbänden und weiteren Beteiligten.
Mit dem nun vorliegenden Gesetzentwurf soll die Spitzensportförderung erstmals gesetzlich verankert werden. Zielsetzung ist eine stärkere potenzial- und erfolgsorientierte Förderung, eine klare Strukturierung der Zuständigkeiten sowie die Absicherung zentraler Werte wie Integrität, Fairness und Nachhaltigkeit. Dabei bildet die Gründung einer eigenen Spitzensport-Agentur das Herzstück der Reform.
Aufbau und Rolle der Spitzensport-Agentur
Die neue Agentur soll als Stiftung eingerichtet werden und übernimmt wesentliche Steuerungsfunktionen der Spitzensportförderung, die bisher auf verschiedene Institutionen verteilt waren. Dazu gehören insbesondere:
- Analyse und Bewertung sportlicher Potenziale, insbesondere im Nachwuchsbereich
- Planung und Vergabe von Fördermitteln für Verbände, Trainingsstrukturen sowie Athletinnen und Athleten
- Wissenschaftliche Begleitung, Evaluation und Qualitätsentwicklung
- Bündelung von Verwaltungsprozessen („Förderung aus einer Hand“)
- Ermöglichung zusätzlicher Finanzierungswege, etwa durch Spenden oder Zustiftungen
Für die Steuerung ist ein Stiftungsrat vorgesehen, der strategische Entscheidungen trifft, während der Vorstand das operative Geschäft verantwortet. Ein Sportfachbeirat soll Expertise aus Wissenschaft und Sportpraxis einbringen.
Damit entsteht eine Institution, die sowohl Entscheidungsmacht als auch Verantwortung bündelt. Sicherlich stellt sich schon hier die Frage: Wie wird sichergestellt, dass die Agentur unabhängig arbeitet und gleichzeitig die Perspektiven aller relevanten Gruppen berücksichtigt, auch die der jungen Generation im Sport?
Potenziale für die Beteiligten
Aus Sicht der unterschiedlichen Beteiligten ergeben sich Chancen, allerdings auch noch offene Fragen einer angezielten effektiven Förderung sowie dazu notwendiger (sport)politischer Akzeptanz.
Für den Bund ergeben sich klarere Steuerungsmöglichkeiten und höhere Planbarkeit, eine effizientere Mittelvergabe durch zentrale Strukturen sowie die Möglichkeit, sportpolitische Ziele kohärenter umzusetzen. Hier stellt sich die Frage: Wie wird die Balance zwischen politischer Verantwortung und sportfachlicher Autonomie gewahrt?
In Bezug auf die Länder ergibt sich eine verbesserte Gesamtkoordination und Transparenz in der Zusammenarbeit sowie eine stärkere Orientierung an Potenzialen, welche langfristige Investitionen erleichtern könnte. Allerdings bleibt offen, wie der föderale Einfluss gewährleistet bleibt, wenn zentrale Entscheidungen in der Agentur liegen.
Aus Sicht der Sportverbände führen vereinheitlichte Förderprozesse zu einer Entlastung sowie einer erhöhten Verbindlichkeit bei Analysen, Entscheidungen und geforderter Evaluation. Die Frage der ausreichend eingebundenen sportfachlichen Expertise und des weiteren Erhalts der Eigenständigkeit der Verbände scheint schon jetzt ein Hauptkritikpunkt des Entwurfs von Seiten des organisierten Sports darzustellen.
Athletinnen und Athleten werden durch transparentere und nachvollziehbarere Potenzialförderung potenziell klarere Perspektiven und stabilere Förderbedingungen ermöglicht. Erkennbar ist dabei ein deutlicher Fokus auf stärkere Bewertung von Leistungskennzahlen. Eine darüberhinausgehende ganzheitliche gesamtpersönliche Förderung, ist kaum erkennbar und führt, wie so häufig zu der Frage der Einbeziehung der geschaffenen Werte durch den (Spitzen-)Sport und der damit verbundenen gesellschaftlichen Legitimation der Förderung desselbigen in Deutschland.
Aus der Perspektive der Jugend und des Nachwuchsleistungssports könnte eine systematischere Talententwicklung des Sportnachwuchses mit neuen Chancen und verbesserten Rahmenbedingungen entstehen. Dies wird unterstützt durch besser eingebundene wissenschaftliche Erkenntnisse und Qualitätsstandards. Allerdings: Wo findet die Jugendvertretung und Mitübernahme von Verantwortung ihren Platz im neuen System? Werden die Perspektiven und Bedürfnisse sowie der Schutz junger Menschen, sowohl im Leistungssport als auch im Übergang zwischen Schule, Ausbildung, Studium und Sport ausreichend berücksichtigt?
Risiken und offene Fragen
Es bleiben zum jetzigen Zeitpunkt wichtige und noch offene Fragen zum Gesetzentwurf.
Mitbestimmung und demokratische Legitimation: Wie werden Mitglieder des Stiftungsrats bestimmt und wie wird verhindert, dass wichtige Perspektiven, z. B. aus Jugendorganisationen, unterrepräsentiert bleiben?
Transparenz und Evaluation: Sind Berichtspflichten und Kontrollmechanismen ausreichend, um eine langfristig nachvollziehbare und überprüfbare Steuerung zu gewährleisten?
Förderlogik: Kann eine stärkere Erfolgsorientierung dazu führen, dass weniger medaillenstarke Disziplinen oder kleinere Verbände ins Hintertreffen geraten?
Ganzheitliche Entwicklung junger Menschen: Wie wird verhindert, dass eine enge Erfolgsfokussierung zu übermäßigen Belastungen oder einseitigen Karrierewegen führt?
Unabhängigkeit: Ist die Agentur so ausgestaltet, dass sie fachlich autonom agieren kann, ohne gleichzeitig politische Steuerungsanforderungen zu vernachlässigen?
Schlussbemerkungen
Der Entwurf des Sportfördergesetzes bietet die Chance, die deutsche Spitzensportförderung klarer, effizienter und transparenter zu gestalten. Gleichzeitig entstehen neue Strukturen, die für alle Beteiligten, und vor allem auch für die junge Generation, langfristige Auswirkungen haben werden. Entscheidend wird sein, wie die Beteiligung und Möglichkeit der Verantwortungsübernahme unterschiedlicher Gruppen gestaltet wird und wie offen die neuen Strukturen für Weiterentwicklung, kritische Fragen und insbesondere jugendgerechte Perspektiven bleiben, um so gemeinsam Kinder und Jugendliche zu bewegen, zu begeistern und zu beteiligen, um damit zu bilden und zu binden! („5B“-Erfogsformel im Kinder- und Jugendsport). Hierbei geht es um nicht weniger als die erfolgreiche Ermöglichung von Zugängen zum Sport und gesellschaftlich verantwortete Sportförderung. Nur so kann das Sportfördergesetz seinem Anspruch gerecht werden, Leistung, Fairness und Teilhabe in Einklang zu bringen, für die junge Generation, für den Sport, für die Gesellschaft.