„Parteipolitik ist kein gemeinnütziger Zweck“

Vereine müssen parteipolitisch neutral bleiben, sonst könnten sie ihre Gemeinnützigkeit verlieren, sagt Nina Reip von der Deutschen Sportjugend

Im Grundgesetz gibt es kein Neutralitätsgebot für Sportvereine – aber im Steuerrecht. Daher sollten sich Vereine nicht für einzelne politische Parteien einsetzen, meint Nina Reip, die bei der dsj die Geschäftsstelle Netzwerk Sport & Politik leitet. Dennoch dürfen sich Vereine gesellschaftspolitisch äußern und müssen auch nicht jeden als Mitglied aufnehmen. 

Frau Reip, stellen Sie sich vor, Sie wären Übungsleiterin und bieten einen Kurs zur Rückenschule an. Dafür meldet sich ein ortsbekannter Rechtsextremer an. Lässt Ihr Verein ihn teilnehmen?
In meinem Wunschverein wäre in der Satzung klar festgelegt, dass sich der Verein zum Beispiel gegen Diskriminierung,  Rassismus und Antisemitismus wendet. Insbesondere dann müsste man entsprechend handeln, auch um gegebenenfalls Betroffene in dem Kurs, also etwa Teilnehmer*innen mit Migrationshintergrund, zu schützen.

Sie schließen den Rechtsextremen also aus?
Einen sich klar bekennenden Rechtsextremisten: Ja! Rechtsextremismus ist eine gewaltvolle Ideologie. Oftmals ist die  Sachlage aber nicht so eindeutig. Und Vereine sind eben auch immer Orte der Begegnung und haben hier auch eine wichtige gesellschaftliche Funktion. Sehr klar ist die Antwort übrigens bei einem Trainer oder einer Jugendleiterin: Menschen mit  Rechtsextremen Ansichten haben an solchen Stellen nichts zu suchen.

Mal abgesehen vom Umgang mit Extremist*innen: Sollten Vereine grundsätzlich politisch neutral sein?
Es gibt zwar ein Neutralitätsgebot in der Verfassung, das gilt aber nicht für Sportvereine, sondern zum Beispiel für  Regierungsorgane oder Gemeinden. Vereine müssen aber politisch neutral sein mit Blick auf das Recht der  Gemeinnützigkeit, also auch das Steuerrecht. Wobei politisch hier „parteipolitisch“ heißt. Denn Parteipolitik ist kein gemeinnütziger Zweck. Halten sich Vereine nicht daran, verlieren sie unter Umständen den Steuervorteil. Das ist aber nicht irreparabel.

Ist es dann sinnvoll, ein parteipolitisches Neutralitätsgebot in die Satzung aufzunehmen?
Die Vereine sind hier in ihrem Tun autonom. Ich bin keine Rechtswissenschaftlerin, aber in meinem Wunschverein würde die parteipolitische Neutralität zusammen mit den Werten des Sports schon aus Transparenzgründen in der Satzung festgehalten. Also Einsatz gegen Rassismus und Diskriminierung, für Chancengleichheit und so weiter. Das wäre mir als Mitglied wichtig, muss dann aber auch gelebt werden.

Aber wie verhalten sich Vereine, wenn sie Veranstaltungen mit Politiker*innen machen wollen? Sollten dabei immer alle Parteien vertreten sein?
Es ist definitiv in Bezug auf das Gemeinnützigkeitsrecht ungünstig, immer nur Menschen aus einer Partei einzuladen. Das könnte zurecht Kritik unter den Mitgliedern auslösen. Möglich wäre es aber, zum Beispiel an einem bestimmten Abend nur die drei größten Parteien einzuladen oder die, die für das Thema vermeintlich die größte Kompetenz haben. So hat man inhaltlich vielleicht auch als Verein am meisten davon.

Inwieweit kann ein Verein selbst politische oder gesellschaftspolitische Positionen öffentlich beziehen? 
Ein Sportverein kann sich durchaus tagespolitisch äußern, vor allem wenn er von politischen Entscheidungen selbst betroffen ist – wie etwa bei der Sportförderung oder Jugendarbeit. Das ist sein gutes Recht. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit, mitsamt seiner Schranken, gilt auch für Sportvereine.

Machen wir es konkret: Am Ort soll ein Endlager für Atommüll entstehen, dagegen gibt es eine Demonstration von Bürger*innen. Kann der Verein daran teilnehmen?
Auch Sportvereine haben das Recht auf Versammlungsfreiheit, aber ich möchte keine Empfehlung abgeben, ob es grundsätzlich sinnvoll ist, bei Demons trationen zu Themen ohne direkten Bezug zum Sport und seinen Werten mitzumachen. In diesem konkreten Fall könnte es in Ordnung sein, wenn sich der Vereinöffentlich zum Beispiel auf einer Demonstration äußert, denn das Thema könnte ihn ja direkt im Ort betreffen. Stellen Sie sich vor, dass sich Mitglieder wegen des Endlagers Sorgen um ihre Gesundheit machen und wegziehen. Dann verliert der Verein Beiträge und muss eventuell Mannschaften abmelden.

Zurück zum Rechtsextremen: Muss ein Verein jede Person als Mitglied aufnehmen? 
Die Antwort ist klar und einfach: Er kann die Menschen aufnehmen, die er möchte. Es gibt keinen Aufnahmezwang. Der Verein muss das auch nicht begründen. Wenn er es aber begründet, muss er es sachlich tun. Eine parteipolitische Zugehörigkeit ist kein sachlicher Grund im Sinne des Gemeinnützigkeitsrechtes. Ist jemand aber erst mal als rechtmäßiges Mitglied aufgenommen, dann wird ein späterer Ausschluss enorm schwierig. Denn eine Mitgliedschaft ist ein rechtlich hohes Gut. Daher kann es sinnvoll sein, bei einem Aufnahmeantrag die Person genau anzuschauen. Schützenvereine prüfen zum Beispiel häufig, in welchem Umfeld sich mögliche neue Mitglieder bewegen. Denn beim Schießsport geht es auch um den Umgang mit Waffen.

Wie ist das mit dem Vermieten von Räumen? Darf ich Interessenten die Nutzung des Sportheims verweigern? 
Ja, das kann ich als Verein selbst entscheiden. Bei Parteien würde ich nur davon abraten, meine Räume immer an dieselbe zu vermieten. Damit macht man sich angreifbar. Und es könnte bei den Mitgliedern schlecht ankommen, die ja häufig eine politisch heterogene Gruppe bilden.

Das Gespräch führte Matthias Jung

(Quelle: Sport in BW 12/2021)


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