Derzeit wird intensiv über die Neustrukturierung des Wehrdienstes diskutiert. Bei der Ausgestaltung des Wehrdienstes sollten zivile Dienste wie die Freiwilligendienste mitgedacht werden. Denn Freiwilligendienste bieten als Lern- und Bildungsjahr nachhaltige Chancen für Zusammenhalt und Resilienz. Sie verfügen über eine bewährte Infrastruktur, sind gesellschaftlich anerkannt und haben sich als wirkungsvolles Instrument zur Förderung jungen Engagements etabliert. Dabei kombinieren sie praktische Erfahrungsräume mit pädagogisch begleiteten Bildungsprozessen und ermöglichen Teilhabe sowie Orientierung für junge Menschen.
Freiwilligendienste im Sport sind unverzichtbar
Insbesondere im organisierten Sport leisten Freiwilligendienste einen unschätzbaren Beitrag auf allen Ebenen – sie stärken Vereine und Einrichtungen, fördern die Entwicklung junger Menschen, bereichern das Leben der Freiwilligen und wirken weit in die Gesellschaft hinein.
Freiwilligendienste im Sport sind unverzichtbar:
- Für die Vereine und Einrichtungen: Freiwillige unterstützen den Trainings- und Spielbetrieb, entlasten Übungsleiter*innen und bringen neue Ideen und Impulse ein.
- Für Kinder und Jugendliche: Kinder und Jugendliche profitieren von zusätzlichen Bezugspersonen, mehr Betreuung und einem vielfältigeren Angebot im Verein.
- Für die Freiwilligen selbst: Freiwillige sammeln Erfahrungen, übernehmen Verantwortung, entwickeln soziale und organisatorische Kompetenzen und können sich beruflich orientieren.
- Für die Gesellschaft: Freiwilligendienste im Sport fördern Integration, Gesundheit, Teamgeist und gesellschaftlichen Zusammenhalt – Sport wird so zu einem zentralen Bildungs- und Begegnungsfeld.
Mehr Vorbilder im direkten (sportlichen) Umfeld von Kindern und Jugendlichen führen zu erhöhter Motivation und Ansporn. Dadurch wird nicht nur der Grundstein für einlebenslanges Sporttreiben gelegt, sondern auch eine Entwicklung hin zum Spitzensport begünstigt. Die frühe und nachhaltige Förderung von Breiten- und Leistungssport stärkt nicht nur das persönliche Gesundheitsbewusstsein, sondern entfaltet auch einen gesamtgesellschaftlichen Mehrwert, indem etwa zukünftige Gesundheitskosten potenziell reduziert werden.
Ausweitung des freiwilligen Wehrdienstes als Chance: Rechtsanspruch auf einen Freiwilligendienst einführen
Ein gezielter Ausbau der bestehenden Freiwilligendienste-Strukturen ist aktuell vor allem durch fehlende Haushaltsmittel begrenzt. Die geplante Ausweitung des freiwilligen Wehrdienstes eröffnet jedoch die Möglichkeit, auch die zivilen Freiwilligendienste als gleichwertige Form gesellschaftlichen Engagements zu stärken. Dafür müssen sie so ausgestaltet werden, dass sie kein zweitrangiger Ersatz sind, sondern als Lerndienste ihren Beitrag zu einer resilienteren Gesellschaft leisten können.
Um eine echte und gleichwertige Alternative zum freiwilligen Wehrdienst darstellen zu können, ist im Zuge der geplanten Ausweitung des Wehrdienstes die Stärkung der Freiwilligendienste durch die Einführung eines Rechtsanspruchs auf einen Freiwilligendienst unabdingbar. Ein Rechtsanspruch würde allen jungen Menschen den Zugang zu einem Freiwilligendienst zu ermöglichen – unabhängig von regionalen Gegebenheiten, Platzkontingenten oder Wartezeiten. So würde der Freiwilligendienst als Bildungs- und Orientierungsjahr gestärkt und soziale Teilhabe gesichert.
Zusammen mit einem breiten Bündnis aus Verbänden, Trägern und Zentralstellen der Freiwilligendienste trägt die Deutsche Sportjugend (dsj) deshalb – auch unabhängig von der Wehrdienstdebatte – die Forderungen der Vision 2030, deren wesentliche Eckpunktelauten:
- Wo junge Menschen, Einsatzstellen und Träger sich auf einen Freiwilligendienst verständigen, garantiert der Rechtsanspruch dessen Umsetzung und Förderung.
- Ein existenzsicherndes, vom Bund finanziertes Freiwilligengeld – orientiert am BAföG-Höchstsatz – ermöglicht allen jungen Menschen die Teilnahme, unabhängig von ihrer finanziellen Situation.
- Alle jungen Menschen sollen individuell angesprochen, eingeladen und beraten werden, um den Zugang zu einem Freiwilligendienst aktiv zu fördern und dessen Sichtbarkeit in der Gesellschaft zu erhöhen.
Das Dreisäulenmodell
Das Wehrdienst-Modernisierungsgesetz sieht vor, dass im Rahmen des sog. „Neuen Wehrdienstes“, der zunächst auf Freiwilligkeit setzt, bei Bedarf auch verpflichtende Elemente wieder eingeführt werden können, um die Wehr- und Verteidigungsfähigkeit des Landes sicherzustellen. Sollte es zu einer Wiedereinsetzung einer Wehrpflicht kommen, müsste laut Grundgesetz auch die Möglichkeit geschaffen werden, den Kriegsdienst mit der Waffe zu verweigern und einen Ersatzdienst zu leisten.
Eine mögliche Wehrpflicht und die damit verbundene Einführung eines Wehrersatzdienstes dürfen aber nicht zu einer Verdrängung junger Menschen führen, die nicht der Wehrpflicht unterliegen, aber einen Freiwilligendienst leisten möchten. Deshalb bekennt sich die dsj grundsätzlich zu einem Dreisäulenmodell, das Wehrdienst und Freiwilligendienst – basierend auf den geforderten Rahmenbedingungen eines Rechtsanspruchs – neben anderen Formen institutionalisierten Ehrenamts (1) als gleichwertig ausgestaltete Säulen des Engagements begreift, zwischen denen junge Menschen gleichberechtigt wählen können. Einen Wehrersatzdienst in Form eines Zivildiensts als weiteres Format braucht es in diesem Modell nicht.
Grundsätzlich würde ein Dreisäulenmodell somit sowohl im Falle eines freiwilligen Wehrdienstes als auch im Falle einer Wehrpflicht allen Interessierten einen gleichberechtigten und diskriminierungsfreien Zugang zu einem Gesellschaftsdienst ermöglichen.
Gelingensbedingungen für zivile Wehrersatzdienste
Sollten dennoch zivile Wehrersatzdienste – etwa ein Freiwilligendienst, der anstelle eines Zivildienstes abgeleistet wird – eingeführt werden, bedarf es folgender Gelingensbedingungen, damit sie ein Erfolg werden können:
- Orientierung an den Bedarfen der jungen Menschen
- Orientierung an der Idee des Lern- und Orientierungsdienstes inklusive einer pädagogischen Begleitung durch pädagogische Fachkräfte des Trägers
- Einsatzgebiete analog zu aktuellen Einsatzfeldern in den Freiwilligendiensten, insbesondere auch im Sport
- Vollumfängliche Übernahme der Kosten des Einsatzes (Taschengeld, pädagogische Begleitung etc.) durch den Bund
- Parallele Einführung eines Rechtsanspruches auf einen Freiwilligendienst, um die Diskriminierung bestimmter Zielgruppen (z. B. junge Frauen, Menschen ohne deutschen Pass, Menschen mit körperlichen oder mentalen Einschränkungen) zu verhindern
- Integration in das erprobte Trägerprinzip (Begleitung der Dienstleistenden, Demokratielernen, Vielfalt, Subsidiarität, Engagementbindung)
- Bürokratiearme Umsetzung
- Wahlfreiheit der Freiwilligen und der Einsatzstellen, auch ein Einsatz im eigenen Verein muss möglich sein
- Sanktionierungen der Wehrersatzdienstleistenden durch die Einsatzstelle erfolgt ausschließlich durch die Auflösung des Vertrags (und nur bei Verstößen gegen die Vereinbarung)
- Besondere Regelungen für Kadersportler*innen
- Automatische Anerkennung aller derzeit im BFD anerkannten Einsatzstellen
- Angemessene Dienstdauer
Grundsätzlich bietet ein Ersatzdienstmodell, das die Freiwilligendienste angelehnt an das bis 2011 bewährte Format „FSJ statt Zivildienst“ einbezieht, eine geeignete Möglichkeit, bestehende Strukturen zu verzahnen, zu stärken und zukunftsorientiert auszubauen. Ein Rechtsanspruch auf einen Freiwilligendienst und eine Stärkung der Freiwilligendienste können und sollten aber grundsätzlich auch parallel zu einer möglichen (Wieder-)Einführung eines Ersatzdienstes umgesetzt werden.
(1) Statt Wehr- oder Zivildienst zu leisten, konnten sich Männer vor 2011 zum Beispiel freiwillig für mehrere Jahre im Zivil- oder Katastrophenschutz verpflichten (§ 13a Wehrpflichtgesetz bzw. § 14 Zivildienstgesetz). Die Dauer hing von der jeweiligen Wehrdienstzeit ab.
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