Orte der Jugendarbeit – aber Jugendpartizipation bleibt ausbaufähig

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Die Deutsche Sportjugend blickt auf den Sportentwicklungsbericht 2025

Ein Mangel an Engagierten sowie fehlende Turnhallen und Schwimmbäder bereiten den Sportvereinen in Deutschland so große Sorgen, dass sich mittlerweile jeder sechste Verein in seiner Existenz bedroht sieht. Diese Entwicklung zeichnet der 9. Sportentwicklungsbericht (SEB) der Deutschen Sporthochschule Köln, der im Mai 2025 veröffentlicht wurde. Was aber zeigt der SEB in Bezug auf Kinder und Jugendliche im Sport?

Engagement für junge Menschen: Sportvereine setzen klare Schwerpunkte

Für viele Sportvereine gehören die Förderung von Kindern und Jugendlichen sowie deren aktive Beteiligung im Vereinsleben zum zentralen Selbstverständnis. Das zeigt sich deutlich in der aktuellen Befragung: Über die Hälfte (56 %) der Vereine gibt an, sich stark im Kinder- und Jugendsport zu engagieren – lediglich 10 % verneinen dies. Auch die demokratische Teilhabe junger Menschen wird hoch eingeschätzt und erreicht ebenfalls hohe Zustimmungswerte. Diese Zahlen spiegeln die Entwicklung in der DOSB-Mitgliedererhebung: Die Zahl von Kindern und Jugendlichen, die sich in Vereinen bewegen und von sportlicher Jugendarbeit profitieren, steht mit 10 Millionen Mitgliedschaften auf einem Höchststand.

Weniger verbreitet ist dagegen das Engagement jenseits des Sports: Nur ein kleinerer Teil der Vereine ist auch in der außersportlichen Kinder- und Jugendarbeit aktiv. Immerhin rund 8 % der Vereine – das entspricht fast 7.000 – sind als Träger der freien Jugendhilfe anerkannt. Interessant ist dabei: Fast die Hälfte der Vereine weiß gar nicht, ob diese Anerkennung auf sie zutrifft. In vielen Bundesländern geschieht sie automatisch, ohne dass ein spezieller Antrag notwendig ist.

Diese Zahlen zeigen: Das Potenzial der Sportvereine für eine noch stärkere Rolle in der Kinder- und Jugendarbeit ist groß – sowohl innerhalb als auch außerhalb des Sports. Gründe dafür gibt es viele. Sportvereine gehören zu den am besten erreichbaren Einrichtungen für Kinder und Jugendliche. Die niedrigschwellige Zugänglichkeit macht sie zu idealen Partnern der Kinder- und Jugendarbeit – besonders in ländlichen Räumen oder Stadtteilen mit wenigen anderen Angeboten. Dazu kommt, dass Trainer*innen, Übungsleiter*innen und Jugendleiter*innen oft wichtige Vorbildfunktionen einnehmen. Sie leiten nicht nur das Training – sie begleiten junge Menschen über Jahre, vermitteln Werte wie Teamgeist und Respekt und bieten in schwierigen Lebensphasen Orientierung. Diese pädagogische Beziehungskontinuität ist ein zentrales Qualitätsmerkmal wirksamer Jugendarbeit.

Wichtige Partner vor Ort: Sportvereine im Bildungsnetzwerk

Sportvereine leisten informelle Bildung in ganz unterschiedlichen Bereichen – körperlich, sozial, emotional. Inklusion, Integration, interkulturelles Lernen, Genderfragen, Medienkompetenz, Gewaltprävention oder Engagementförderung: All das kann über den Sport ganz praktisch erlebt und bearbeitet werden – oft nachhaltiger als in klassischen Bildungsformaten.

Sportvereine sind also weit mehr als Orte sportlicher Betätigung – sie sind auch ein fester Bestandteil kommunaler Bildungslandschaften. Besonders enge Verbindungen bestehen zu Schulen und Kindertagesstätten, denn Kinder und Jugendliche sind traditionell die aktivste Altersgruppe in den Vereinen. Etwa 30 % aller Sportvereine – das entspricht über 25.000 Vereinen bundesweit – kooperieren bei der Gestaltung von Angeboten mit Schulen, rund 15 % (etwa 13.000 Vereine) arbeiten mit Kitas zusammen. Das Feld könnte strategisch weiterentwickelt werden – etwa im Ganztag, in Ferienangeboten oder Projekten der Jugendsozialarbeit. Sportvereine können hier verlässliche Partner sein, wenn sie entsprechend unterstützt werden – etwa durch Professionalisierung, Förderung und Anerkennung.

Allerdings zeigen sich hier rückläufige Entwicklungen: Im Vergleich zu 2020 sind diese Zahlen gesunken. Bemerkenswert ist zudem, dass der Begriff „Ganztag“ im aktuellen Bericht nicht auftaucht – obwohl gerade die Anforderungen an Kooperationen im Rahmen ganztägiger Bildungsangebote eine große Rolle spielen dürften. In vielen Regionen übernehmen inzwischen einzelne größere Vereine die Zusammenarbeit mit mehreren Schulen gleichzeitig. Kleinere Vereine hingegen sehen sich häufig durch bürokratische Hürden und gestiegene Anforderungen zur Professionalisierung im Ganztag gezwungen, sich aus dieser wichtigen Aufgabe zurückzuziehen.

Auch beim Thema Kinderschutz gibt es noch Entwicklungspotenzial: Ein Viertel der befragten Vereine gibt an, sich nicht im Bereich Kinderschutz oder Prävention sexualisierter Gewalt zu engagieren. Zwar ist das Bewusstsein für dieses wichtige Thema in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen, doch zeigt sich zugleich: Es besteht weiterhin Handlungsbedarf, um die Verantwortung für Schutz und Sicherheit von Kindern und Jugendlichen in allen Sportvereinen fest zu verankern.

Sportvereine: Günstiger Zugang – aber nicht für alle erreichbar

Im Vergleich zu vielen anderen Freizeit- und Bildungsangeboten bleiben Sportvereine eine der kostengünstigsten Möglichkeiten der aktiven Teilhabe – besonders für Kinder und Jugendliche. So erhebt die Hälfte aller Vereine einen Monatsbeitrag von maximal vier Euro für Kinder und fünf Euro für Jugendliche. Diese moderaten Kosten machen den organisierten Sport grundsätzlich sehr zugänglich – zumindest auf den ersten Blick.

Trotzdem zeigen aktuelle Erhebungen, wie die von der Deutschen Sportjugend durchgeführte MOVE-Studie 2023/24, dass Kinder und Jugendliche aus sozial benachteiligten Familien nach wie vor deutlich seltener Mitglieder in Sportvereinen sind. Das liegt offenbar nicht in erster Linie an den Beitragssätzen selbst – schließlich können diese über das Bildungs- und Teilhabepaket vollständig abgedeckt werden. Vielmehr scheint die Scheu vor möglichen weiteren Kosten – etwa für Sportkleidung, Ausflüge oder Trainingslager – eine größere Hürde darzustellen. Auch die Angst vor verbindlichen Zahlungsverpflichtungen kann abschreckend wirken. Ganz weit oben steht vor allem, dass sich junge Menschen nicht "wohlfühlen", wenn sie neu dazukommen und nicht "kompetent" genug fühlen, vom Angebot erst gar nichts wissen.

Hinzu kommen strukturelle Barrieren: fehlende Informationen über Unterstützungsmöglichkeiten, sprachliche Hürden, ein Mangel an niedrigschwelligen Einstiegsangeboten oder schlicht der fehlende Zugang zu Transportmitteln, um zum Training zu gelangen. Damit wird deutlich: Wenn es darum geht, Teilhabe für alle Kinder und Jugendlichen zu ermöglichen, reicht ein günstiger Mitgliedsbeitrag allein nicht aus. Vielmehr braucht es gezielte Unterstützungsangebote, mehr Sichtbarkeit bestehender Förderprogramme – und ein noch stärkeres Bewusstsein in den Vereinen selbst für die Hürden, die manche Familien erst überwinden müssen.

Jugendbeteiligung in Sportvereinen: Demokratie lernen durch Mitgestaltung

Sportvereine sind zentraler Ort freiwilligen Engagements – auch für junge Menschen. In kaum einem anderen Bereich übernehmen so viele Jugendliche Verantwortung in jungen Jahren. Dieses Engagement lässt sich durch gezielte Förderung, etwa im Rahmen von Freiwilligendiensten oder Ehrenamtsqualifizierungen, weiter stärken – und gleichzeitig zur Förderung gesellschaftlicher Teilhabe nutzen. Das Erleben von Selbstwirksamkeit und demokratischer Beteiligung ist zentral für Persönlichkeitsentwicklung und gesellschaftliche Integration. Das Potenzial liegt darin, diese Strukturen systematisch auszubauen und noch mehr jungen Menschen solche Erfahrungen zu ermöglichen.

Sportvereine sind mehr als Orte für Bewegung und Wettkampf – sie sind auch wichtige Lernorte für demokratisches Handeln. Viele Vereine bieten Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren konkrete Möglichkeiten, das Vereinsleben aktiv mitzugestalten. Deshalb werden Sportvereine oft als „Lern- und Erfahrungsorte der Demokratie“ bezeichnet.

Je mehr junge Menschen in Entscheidungsprozesse eingebunden werden, desto stärker wächst auch die Gemeinwohlfunktion der Vereine. Laut dem aktuellen Sportentwicklungsbericht verfügen etwa ein Drittel der Sportvereine über Jugendvertreter*innen mit Sitz im Gesamtvorstand. In rund 26 % der Vereine haben Jugendliche ein Stimmrecht in der Mitgliederversammlung – das betrifft schätzungsweise über 22.000 Vereine in Deutschland.

Weitere Beteiligungsformen sind Jugendvertretungen (22 %), gewählte Jugendsprecher*innen (17 %), eigene Jugendvorstände oder Jugendausschüsse (13 %) sowie gewählte Jugendvertretungen auf Abteilungsebene (6,4 %). Zusätzlich ermöglichen rund 6 % der Vereine andere Formen der Mitbestimmung.

Neben den formalen Beteiligungsmöglichkeiten gibt es auch die Möglichkeit, bei der Gestaltung des Trainings mitzubestimmen. Wie die MOVE-Studie zeigt, geben etwas mehr als ein Drittel der Jugendlichen an, oft oder immer die Möglichkeit zu haben, sich an der Planung außersportlicher Aktivitäten (34,2 %) oder der Trainingsinhalte (33,8 %) zu beteiligen bzw. den*die Mannschaftskapitän*in oder den*die Gruppensprecher*in zu wählen (33,3 %). 27 Prozent der Befragten berichtet, dass sie in der Gruppe über die Teilnahme an Wettkämpfen oder Veranstaltungen mitentscheiden dürfen. Im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass fast zwei Drittel aller Jugendlichen diese Partizipationsmöglichkeiten seltener zur Verfügung stehen.

Ähnliches zeigt auch der SEB: In über 46 % der Vereine bestehen aktuell keine spezifischen Beteiligungsmöglichkeiten für Jugendliche – ein Rückgang im Vergleich zu 2020. Hier bleibt weiterhin Handlungsbedarf, um jungen Menschen echte Mitbestimmung im Verein zu ermöglichen und demokratische Strukturen zu stärken. Das Fehlen von Beteiligungsmöglichkeiten ist jedoch insbesondere vor dem Hintergrund der wachsenden Problematik der Bindung und Gewinnung von Ehrenamtlichen in den Vereinen problematisch, denn weiterführende Analysen zeigen klar: In Sportvereinen, die keine Beteiligungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche anbieten, ist der Anteil junger Ehrenamtlicher unter 30 Jahren deutlich geringer. Anders gesagt: Wer jungen Menschen frühzeitig die Chance gibt, sich aktiv am Vereinsleben zu beteiligen, legt den Grundstein für langfristiges Engagement. In diesen Vereinen übernehmen junge Erwachsene später häufiger feste ehrenamtliche Rollen.

„Partizipation von Kindern und Jugendlichen ist damit nicht nur Ausdruck gelebter Demokratie – sie ist auch eine Investition in die Zukunft des Ehrenamts im Sport“, betont Leandra Götz, die im Vorstand der Deutschen Sportjugend als U27-Vertreterin das Themenfeld Junges Engagement verantwortet. „Es ist die fehlende Gewinnung und Bindung von ehrenamtlich Engagierten, die jeden sechsten Verein in Deutschland derzeit existentiell bedrohen. Wir raten allen Vereinen, sich über Modelle wie Jugendsprecher*innen, Juniorteams oder die Jugendleiter-Lizenz zu informieren und hier zukunftsweisende Lösungen zu finden.“

Insgesamt zeigt der Sportentwicklungsbericht: Wenn Sportvereine als Bildungs- und Entwicklungsorte ernst genommen, systematisch unterstützt und in kommunale Jugendstrategien eingebunden werden, können sie einen noch viel größeren Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung, sozialen Teilhabe und demokratischen Bildung junger Menschen leisten. Das vorhandene Potenzial ist riesig – es braucht nur den politischen Willen, passende Rahmenbedingungen und gezielte Impulse zur Weiterentwicklung.


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